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In Graubünden geht das Seefieber um
Fünf
Bündner Gemeinden hegen den Traum vom eigenen künstlichen Badesee. Ob
und wann die Projekte realisiert werden, ist offen. Für die
Tourismusexperten ist der Wunsch nach Wasser durchaus nachvollziehbar.
Von Olivier Berger
Seit
der Churer Seeverein im Dezember 2004 seine Vision von einem Badesee
auf dem heutigen Militärareal im Westen der Stadt artikuliert hat, geht
in Graubünden das Seefieber um. Nicht weniger als fünf Gemeinden wollen
ihre Einwohner und potenzielle Gäste dereinst zum Bade locken: neben
Chur auch Igis-Landquart, Haldenstein, Bonaduz und – seit neustem –
Vals.
Die Sehnsucht nach dem Wasser
Für
Hansruedi Müller, Leiter des Forschungsinstituts für Freizeit und
Tourismus an der Universität Bern, sind die Seeträume der Bündnerinnen
und Bündner durchaus nachvollziehbar. «Die zentralen Ferienmotive in
unseren Breitengraden sind nach wie vor Sonne und Wasser», sagt Müller.
Es sei kein Zufall, dass viele touristische Logos in den Farben Gelb
und Blau gehalten seien, darunter jene von Davos und St.
Moritz/Engadin. Einheimischen und Gästen eine – möglichst natürliche –
Badegelegenheit anbieten zu können, sei gerade für Tourismusorte
ähnlich wichtig wie ein Schwimmbad für ein Hotel. «Dabei spielt es
keine grosse Rolle, ob die Seen auch genutzt werden.» Allerdings ist
Müller überzeugt, dass ein künstlicher See für einen touristischen Ort
durchaus eine Aufwertung sein kann. «Ich denke da zum Beispiel an die
'Postkarten'-Ansicht von Grindelwald mit dem Bachsee im Vordergrund –
der Bachsee ist künstlich aufgestaut worden.» Auch aus Graubünden kennt
Müller ein positives Beispiel. «Der 'Parkplatz'-See in Savognin zeigt,
wie mit künstlichen Seen der Attraktionswert sowohl im Winter wie auch
im Sommer gesteigert werden kann.»
Der See allein machts nicht aus
Für
den Tourismusexperten Müller ist allerdings auch der Umgang mit einem
künstlichen See wichtig, um mit dem Zusatzangebot Erfolg zu haben.
«Künstliche Seen müssen möglichst gut ins Landschaftsbild integriert
und ihre Umgebung muss einfühlsam gestaltet werden.» Zudem sei es
äusserst wichtig, dass der Wasserstand im Sommer möglichst hoch sei.
Ausserdem müssten sich die Touristiker überlegen, wie sie ihr Gewässer
aktiv bewirtschaften würden. «Der Speichersee auf Bodmi ob Engelberg
ist mit dem 'Kitzelpfad' ein gutes Beispiel, wie Erlebnisse gut
inszeniert werden können.» Aus ökologischer Sicht hat Müller gewisse
Bedenken, was den Bau von künstlichen Seen betrifft. Gar nicht in Frage
kommen für ihn ökologisch wertvolle Standorte. Zudem gelte es zu
bedenken, dass sich das Ortsbild während des Seebaus ziemlich hässlich
präsentiere. «In den meisten Fällen müssen Kunststofffolien verwendet
werden; oft werden auch alte Autopneus zur Abdämpfung verwendet»,
erklärt Müller. Beides sei aus ökologischer Sicht alles andere als
ideal. Den Bündner Seepromotoren gibt Müller einen Ratschlag mit auf
den Weg. «Die Belastungskapazitäten müssen gut berechnet werden, damit
es nicht zu Rutschungen kommt.» Ausserdem würden durch die Speisung der
Seen die natürlichen Wasserläufe gestört, und bei künstlichen
Wasserzuführungen müssten Röhren und Gräben in sensiblen Räumen gezogen
werden. Die ganze Diskussion über Restwassermengen und den allgemeinen
Umgang mit dem Wasser werde sich in Zukunft wegen der
Klimaveränderungen noch zuspitzen.
Zwischen Idee und Abstimmung
Mit
Detailfragen nach touristischer Nutzung und Umweltbelastung müssen sich
die fünf Bündner Seegemeinden in spe wohl noch nicht so schnell
befassen. Derzeit ist noch keines der vorliegenden Projekte spruchreif: In
Igis-Landquart hat die Gemeindeversammlung am Donnerstag beschlossen,
die Volksinitiative für einen Badesee auf Gemeindegebiet zur Ablehnung
zu empfehlen. Das letzte Wort zum See hat das Stimmvolk am 24. Februar. In
Haldenstein sind die Seepläne derzeit auf Eis gelegt, wie Carlo
Portner, Verwaltungsratspräsident der Kieswerk Oldis AG, erklärt. Man
wolle erst abwarten, welche Entscheidungen in der Nachbargemeinde
Trimmis zu einer möglichen Flussraumaufweitung des Rheins fielen. Der
Haldensteiner See soll auf dem Abbaugebiet des Kieswerks Oldis
entstehen. Für den See auf dem Churer Rossboden liegt eine
(positive) Machbarkeitsstudie vor. Derzeit werde an der ETH in Zürich
ein konkretes Projekt erarbeitet, so Bruno W. Claus vom Seeverein. Das
Projekt werde voraussichtlich in den nächsten Monaten vorliegen. Laut
Claus ist die Idee eines grossflächigen Sees auf dem Militärareal noch
nicht vom Tisch. Die Initianten hatten zwischenzeitlich die Idee einer
Wasserlandschaft statt des Sees propagiert. Auch für den Bonaduzer
See liegt laut Gemeindepräsident Christian Theus eine
Machbarkeitsstudie vor. Das Geschäft sei aber «weder kurz- noch
mittelfristig prioritär». Man werde im Zuge der Diskussionen über den
kommunalen Wasserhaushalt und die touristische Nutzung der
Rheinschlucht darauf zurückkommen. In Vals läuft seit dieser Woche die Suche nach einer Trägerschaft für das neu lancierte Seeprojekt.
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