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27.01.08, SO Graubünden
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In Graubünden geht das Seefieber um

Fünf Bündner Gemeinden hegen den Traum vom eigenen künstlichen Badesee. Ob und wann die Projekte realisiert werden, ist offen. Für die Tourismusexperten ist der Wunsch nach Wasser durchaus nachvollziehbar.

Von Olivier Berger

Seit der Churer Seeverein im Dezember 2004 seine Vision von einem Badesee auf dem heutigen Militärareal im Westen der Stadt artikuliert hat, geht in Graubünden das Seefieber um. Nicht weniger als fünf Gemeinden wollen ihre Einwohner und potenzielle Gäste dereinst zum Bade locken: neben Chur auch Igis-Landquart, Haldenstein, Bonaduz und – seit neustem – Vals.

Die Sehnsucht nach dem Wasser

Für Hansruedi Müller, Leiter des Forschungsinstituts für Freizeit und Tourismus an der Universität Bern, sind die Seeträume der Bündnerinnen und Bündner durchaus nachvollziehbar. «Die zentralen Ferienmotive in unseren Breitengraden sind nach wie vor Sonne und Wasser», sagt Müller. Es sei kein Zufall, dass viele touristische Logos in den Farben Gelb und Blau gehalten seien, darunter jene von Davos und St. Moritz/Engadin. Einheimischen und Gästen eine – möglichst natürliche – Badegelegenheit anbieten zu können, sei gerade für Tourismusorte ähnlich wichtig wie ein Schwimmbad für ein Hotel. «Dabei spielt es keine grosse Rolle, ob die Seen auch genutzt werden.»
Allerdings ist Müller überzeugt, dass ein künstlicher See für einen touristischen Ort durchaus eine Aufwertung sein kann. «Ich denke da zum Beispiel an die 'Postkarten'-Ansicht von Grindelwald mit dem Bachsee im Vordergrund – der Bachsee ist künstlich aufgestaut worden.» Auch aus Graubünden kennt Müller ein positives Beispiel. «Der 'Parkplatz'-See in Savognin zeigt, wie mit künstlichen Seen der Attraktionswert sowohl im Winter wie auch im Sommer gesteigert werden kann.»

Der See allein machts nicht aus

Für den Tourismusexperten Müller ist allerdings auch der Umgang mit einem künstlichen See wichtig, um mit dem Zusatzangebot Erfolg zu haben. «Künstliche Seen müssen möglichst gut ins Landschaftsbild integriert und ihre Umgebung muss einfühlsam gestaltet werden.» Zudem sei es äusserst wichtig, dass der Wasserstand im Sommer möglichst hoch sei. Ausserdem müssten sich die Touristiker überlegen, wie sie ihr Gewässer aktiv bewirtschaften würden. «Der Speichersee auf Bodmi ob Engelberg ist mit dem 'Kitzelpfad' ein gutes Beispiel, wie Erlebnisse gut inszeniert werden können.»
Aus ökologischer Sicht hat Müller gewisse Bedenken, was den Bau von künstlichen Seen betrifft. Gar nicht in Frage kommen für ihn ökologisch wertvolle Standorte. Zudem gelte es zu bedenken, dass sich das Ortsbild während des Seebaus ziemlich hässlich präsentiere. «In den meisten Fällen müssen Kunststofffolien verwendet werden; oft werden auch alte Autopneus zur Abdämpfung verwendet», erklärt Müller. Beides sei aus ökologischer Sicht alles andere als ideal.
Den Bündner Seepromotoren gibt Müller einen Ratschlag mit auf den Weg. «Die Belastungskapazitäten müssen gut berechnet werden, damit es nicht zu Rutschungen kommt.» Ausserdem würden durch die Speisung der Seen die natürlichen Wasserläufe gestört, und bei künstlichen Wasserzuführungen müssten Röhren und Gräben in sensiblen Räumen gezogen werden. Die ganze Diskussion über Restwassermengen und den allgemeinen Umgang mit dem Wasser werde sich in Zukunft wegen der Klimaveränderungen noch zuspitzen.

Zwischen Idee und Abstimmung

Mit Detailfragen nach touristischer Nutzung und Umweltbelastung müssen sich die fünf Bündner Seegemeinden in spe wohl noch nicht so schnell befassen. Derzeit ist noch keines der vorliegenden Projekte spruchreif:
In Igis-Landquart hat die Gemeindeversammlung am Donnerstag beschlossen, die Volksinitiative für einen Badesee auf Gemeindegebiet zur Ablehnung zu empfehlen. Das letzte Wort zum See hat das Stimmvolk am 24. Februar.
In Haldenstein sind die Seepläne derzeit auf Eis gelegt, wie Carlo Portner, Verwaltungsratspräsident der Kieswerk Oldis AG, erklärt. Man wolle erst abwarten, welche Entscheidungen in der Nachbargemeinde Trimmis zu einer möglichen Flussraumaufweitung des Rheins fielen. Der Haldensteiner See soll auf dem Abbaugebiet des Kieswerks Oldis entstehen.
Für den See auf dem Churer Rossboden liegt eine (positive) Machbarkeitsstudie vor. Derzeit werde an der ETH in Zürich ein konkretes Projekt erarbeitet, so Bruno W. Claus vom Seeverein. Das Projekt werde voraussichtlich in den nächsten Monaten vorliegen. Laut Claus ist die Idee eines grossflächigen Sees auf dem Militärareal noch nicht vom Tisch. Die Initianten hatten zwischenzeitlich die Idee einer Wasserlandschaft statt des Sees propagiert.
Auch für den Bonaduzer See liegt laut Gemeindepräsident Christian Theus eine Machbarkeitsstudie vor. Das Geschäft sei aber «weder kurz- noch mittelfristig prioritär». Man werde im Zuge der Diskussionen über den kommunalen Wasserhaushalt und die touristische Nutzung der Rheinschlucht darauf zurückkommen.
In Vals läuft seit dieser Woche die Suche nach einer Trägerschaft für das neu lancierte Seeprojekt.

   
       
     
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